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Auf nach Essen

Nach einem gigantischen Wochenende in Oldenburg, an dem uns sogar ein Wohnwagen angeboten wurde, den wir uns hätten leihen können für den Rest der Tour, haben wir uns gegen Mittag auf den Weg nach Essen gemacht. Den Wohnwagen haben wir nun leider doch nicht an Bonnie angehängt, da sie leider zu schwach ist, um ihn zu ziehen. Außerdem haben wir mit Bonnie eigentlich alles, was wir brauchen, und sie wäre über die Konkurrenz im Nacken sicherlich nicht froh gewesen. 

Morgens waren wir recht früh aufgestanden, haben noch mit Katharina, unserer ursympathischen Gastgeberin und Organisatorin des wunderschönen Super-Integratoren-Events, gefrühstückt und im Anschluss einen “Schrauber” besucht, der uns bei einem kleinen technischen Problem mit Bonnie helfen wollte. Das Vorglühzeitrelais ist defekt, und die alte Dame springt morgens nicht so gut an. Vor allem wenn es kalt ist, braucht sie etwas länger, um in die Gänge zu kommen. Leider konnten wir das Problem nicht beheben und müssen weiter auf milde, warme Nächte hoffen, und die gute Bonnie weiterhin ohne Vorglühen “anmachen”.

Zum Abschied hatte Katharina, die uns mit dem Appartement, in dem wir wohnen durften, schon viel Gutes getan hatte, noch eine Überraschung für uns. Sie hatte sich vor geraumer Zeit einen sogenannten “Swag” zugelegt, eine Art Schlafsack-Zelt-Kombination mit integrierter Matratze. Diesen brauchte sie so selten, das sie ihn uns überlassen wollte, in der Hoffnung, das wir ihn in Ehren nutzen werden. Ein geniales Geschenk.

Schweren Mutes verließen wir Oldenburg und erreichten ein paar Stunden später Essen. Dort war unsere Aufgabe, erstmal ein Café zu finden, das am Tag der Deutschen Einheit geöffnet hat und das über für uns zugängliche Steckdosen verfügte. Beide nämlich mussten wir ein wenig an anderen Projekten arbeiten und brauchten dazu Kaffee, Essen, Strom und einen gemütlichen Sitzplatz. Die griechische Bäckerei namens “Perfect” war für uns tatsächlich perfekt. Auf meine Frage hin, ob es o.k sei, wenn wir am Computer arbeiten und Steckdosen benutzen, reagierte die freundliche Bedienung mit einem breiten Lächeln: “Natürlich, setzt euch, ich bringe euch gleich mal einen Kaffee.”

Nach ca. drei Stunden im Café mussten wir los zum CinemaxX, haben Bonnie in die Tiefgarage gebracht und unsere Wanderanhänger mit allem, was wir brauchen, ins Kino. Mal wieder beeindruckte mich die Architektur hinter den Kulissen. Riesige Serverräume, tausende blinkende Lämpchen und gigantische Projektoren. Jeder dieser Projektoren screente ein anderen Film. Im Vorbeigehen an den hintereinander aufgestellten Monstern erhascht man durch die Projektionsfenster immer kleine Ausschnitte der Filme. Dorie wird gesucht, ein Hund im Wurstparadies, verliebte Pärchen in romantischen Schnulzen. An unserem Projektor angekommen schlossen wir unsere Technik mittlerweile sehr routiniert an, immer bedacht, den momentan noch laufenden Film nicht zu unterbrechen. Ein falscher Knopf gedrückt, einen falschen Stecker gezogen und, so unsere Befürchtung, der Projektor würde einfach ausgehen. “Der Projektor ist aus”, sagt Paul zu mir mit einem Blick, der “Katastrophe” sagt. Schnell schaue ich zur Leinwand. Und Tatsächlich. Das Bild ist schwarz. Nichts mehr zu sehen. Erstarrt vor Schreck schaue ich zurück zu Paul. Der fängt augenblicklich an loszuprusten und fängt sich gar nicht mehr. “Das ist einfach eine schwarze Szene im Film, du Idiot, du hast nichts falsch gemacht.” In diesem Moment sehe ich, wie sich auf der Leinwand zwei Comic-Augen im Dunkeln öffnen und eine dazugehörige Wurst mit Beinen und Armen ängstlich ins Licht tritt. Paul hatte mich kräftig veräppelt und kurz fühlte ich mich wie die Wurst aus dem Comic-Film, der gerade lief.

Sobald der Film zu Ende war, sprinteten wir in den Saal, bauten dort alles auf, was wir für unsere Show brauchten. Das Zelt, den Stehtisch aus einem unserer Wanderanhänger, den Router für unsere drahtlose Steuerung der Präsentation, Headsets an und rein ins Zelt. Jeden Abend das gleiche, aber trotzdem immer wieder anders. Jeder Kinosaal ist unterschiedlich zum vorherigen, jedes Publikum anders und die eigene Laune variiert natürlich auch. Alles zusammen bestimmt dann, wie die Show läuft. Zum Glück war die Summe der einzelnen Teile mal wieder mehr als das Ganze und die Show ein voller Erfolg.

Danach noch Fragen und Antworten, Bücher signieren, Abbauen und zurück zur schon ungeduldig wartenden Bonnie. Nach einigem Husten sprang sie dann auch an und wir machten uns auf die Suche nach einem schönen Schlafplatz. Langsam fuhren wir im nebligen Dunst durch Vorstädte, vorbei an Industrie und vereinzelten Wohnhäusern. Immer wieder hielten wir an, um doch festzustellen, dass der Platz aus verschiedenen Gründen nicht geeignet war. Weiter außerhalb fanden wir dann einen kleinen Parkplatz an einem Schotterweg im Wald. Es wurde eine geruhsame Nacht.

 

Hansen Hoepner

Fünf Minuten vor seinem Bruder Paul geboren, studierte an der Akademie für Bildende Künste Maastricht Produktdesign, Goldschmiede und Fotografie. Seit 2014 arbeitet er an dem Kreativprojekt »KAOS« (www.kaosberlin.de) mit und hat sich dort mit einer Werkstatt für Goldschmiede und Produktdesign selbstständig gemacht.

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